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Verwaltungsgericht bekräftigt Unrechtmäßigkeit von Heimunterbringung Zehnjähriger durch Jugendamt Hof

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Bayerisches Verwaltungsgericht Bayreuth

Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat die Rechtswidrigkeit der von der Mutter vor 2,5 Jahren initiierten Inobhutnahme eines Mädchens aus dem Landkreis Hof durch das Jugendamt festgestellt. Das Gericht bestätigt damit unsere Einschätzung.

Das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth hat am 22.11.2023 in einer mündlichen Verhandlung die bereits mit Gerichtsbescheid vom 06.10.2023 festgestellte Rechtswidrigkeit der Inobhutnahme eines damals zehnjährigen Mädchens weiterhin festgestellt. Der Verhandlungsttermin, bei dem Freifam anwesend war, war notwendig geworden, da das Kreisjugendamt Hof Rechtsmittel gegen den Gerichtsbescheid eingelegt hatte. Überraschend erschien das Jugendamt jedoch nicht zur von ihm geforerten Verhandlung.

Wir hatten im ersten Halbjahr 2021 mehrfach zeitnah über den Fall des damals zehnjährigen Mädchens berichtet und die Heimunterbringung als rechtswidrig kritisiert und die dafür Verantwortlichen beim Kreisjugendamt Hof namentlich genannt. Auch haben wir darüber berichtet, dass aus Tagebuchaufzeichnungen des Kindes hervorgeht, dass es von seiner Mutter geschlagen wurde. Das Kind wurde schließlich von der eigenen Mutter ins Kinderheim der Diakonie Hochfranken gebracht. Wir haben darüber umfangreich in diese Veröffentlichungen berichtet:

Die schriftliche Urteilsbegründung des Bayerisches Verwaltungsgerichts Bayreuth liegt noch nicht vor, wir berichten daher von der mündlichen Verhandlung. Der Tenor, den die vorsitzende Richterin hierin vorgetragen hat, entspricht aber den Ausführungen des Gerichtsbescheides. Insofern werden wir hier wesentliche Passagen aus diesem Gerichtsbescheid zitieren:

Gerichtsbescheid:

  1. Es wird festgestellt, dass die Inobhutnahme vom 25. Januar 2021 durch das Landratsamt Hof rechtswidrig war.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Zunächst gibt das Verwaltungsgericht im Gerichtsbescheid sehr umfangreich den Tatbestand wieder. Das Gericht beschreibt, dass es länger andauernde Konflikte zwischen den Eltern gab. Bereits im Jahr 2017 hatte das Amtsgericht Hof das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind auf die Mutter übertragen.

In der Zwischenzeit gab es eine Reihe weiterer Verfahren vor diesem Amtsgericht und das Jugendamt hatte die Angelegenheit in einer Fallkonferenz in 2019 erörtert. Das Jugendamt war somit über die Jahre regelmäßig mit dem Fall befasst.

Ende Januar 2021 hat sich die Situation zugespitzt, die Mutter hat eine Meldung zur Kindeswohlgefährdung an das Jugendamt gegeben und hat auch mit Hilfe von Polizei sowie dem Staatsschutz zwei Einsätze auf dem Grundstück des Vaters veranlasst.

Das Verwaltungsgericht führt aus:

Im Protokoll zur Meldung einer Kindeswohlgefährdung führt das Jugendamt Folgendes aus:
Die Mutter des Kindes habe sich am 19. Januar 2021 an das Jugendamt gewendet und mitgeteilt, dass der Vater des Kindes auf Facebook und “Freifam” Rufmord begehe.

[…]

Erster Hauptkommissar P., Leiter KS Staatsschutz, habe gemeldet, dass der Kindesvater nicht ohne polizeilichen Schutz aufgesucht werden sollte, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass dieser sich und seiner Tochter etwas antue. Der Kläger sei Waffenbesitzer.

Zusammenfassende Einschätzung des Gefährdungsrisikos: Eine Überprüfung der mögliche Gefährdungssituation könne nicht erfolgen, da befürchtet werden müsse, eine Gefährdung von [Mädchen] durch den Hausbesuch zu initiieren. Damit [Mädchen] in Augenschein genommen werden könne, werde Erster Hauptkommissar P. mit einem Mitarbeiter des Jugendamts (Herr S.) zum Wohnhaus des Kindesvaters fahren.

Eine Kontaktaufnahme mit der Direktorin der Grundschule, in der sich [Mädchen] befinde, habe ergeben, dass sich diese um E. sorge. Die Situation sei für das Jugendamt nicht abschätzbar. Eine Gefährdungsabschätzung ergebe, dass man eine akute Gefährdung nicht ausschließen könne.

[…]

Um 14.00 Uhr habe es eine Kontaktaufnahme der Fachkraft des Jugendamts in Begleitung mit dem Leiter Kommissariat 5 – Staatsschutz bei dem Kindesvater und [Mädchen] gegeben. [Mädchen] habe bei einem Gespräch geäußert, dass es ihr gut gehe und sie immer bei ihrem Vater leben wolle, dass habe ihre Mama nicht gewollt, diese habe sie auch geschlagen. Diese würde sie auch beeinflussen, etwas zu sagen. Der Eindruck der Beziehung zwischen Vater und Tochter habe entspannt gewirkt. Die Gefährdungssituation werde als gut und befriedigend beschrieben.

Für einen Außenstehenden wirken zwei Vorgänge äußerst befremdlich – einerseits wendet sich die Direktorin der Grundschule des Mädchens direkt an das Jugendamt obwohl sie zu diesem Zeitpunkt (Corona-Lockdown) keinen Kontakt zum Mädchen hatte und auch nicht als Klasslehrerin für das Mädchen tätig war.

Wir berichteten über diese Direktorin bereits in folgendem Artikel: Rektorin der Grundschule in Helmbrechts begünstigte Kindesmisshandlung durch Elternbeirätin

Außerdem hat sich der Leiter des Kommissariat 5 – Staatsschutz (mittlerweile pensioniert) offensichtlich unaufgefordert an das Jugendamt gewandt und anscheinend auch zwei Polizeieinsätze beim Vater initiiert. In einem uns exklusiv vorliegenden WhatsApp-Video führt die Mutter aus, dass unmittelbar danach ein dritter Polizeieinsatz beim Vater durchgeführt werden sollte und gibt dem Mädchen detaillierte Anweisungen, wie sich das Mädchen in diesem Fall zu verhalten habe.

Wir recherchieren derzeit zu möglichen direkten oder indirekten Kontakten der Mutter in die Polizei und inwiefern sich die Polizei von ihr für derart umfangreiche und unnötige Polizeieinsätze beim Vater instrumentalisieren ließ.

Zurück zur Inobhutnahme am 25.01.2021, zu der das Verwaltungsgericht in seinem Bescheid einen Vermerk des Jugendamt Hof zitiert:

Vermerk: Aktion Inobhutnahme im Haus der Großeltern mütterlicherseits/Haushalt der Kindesmutter. Als Grund wurde angegeben, dass der Vater wiederholte Gefährdungsmeldungen abgesetzt habe, das Kind würde von der Mutter geschlagen. Diese habe [Mädchen] auch gegenüber dem Jugendamt Wunsiedel bestätigt. Es liege auch eine Gefährdungsmitteilung einer Freundin des Vaters vor.

[Mädchen] und ihre Mutter hätten sich mittags bei den Großeltern mütterlicherseits in Helmbrechts aufgehalten. Beim Eintreffen habe die Mutter gesagt, dass der Vater umherfahre. Sie befürchte, er schnappe ihr die Tochter weg.

[…]

Als die Mutter erklärt habe, dass [Mädchen] mit der Fachkraft mitgehen solle, sei die Situation eskaliert.

[…]

Als sie erfahren habe, dass sie mit dem Fachbereich mitgehen müsse, habe sie hysterisch geweint. Als man vorgeschlagen habe, einen Notarzt zu rufen, habe sie aus Zorn gerufen, den Papa anzurufen. Die Mutter habe [Mädchen] dazu gebracht, mit ins Heim zu fahren.

Es ist schockierend, die geschilderten Vorgänge  – auch wenn sie fast drei Jahre her sind – zu lesen. Was wurde dieser verletzlichen Kinderseele angetan? Selbst die Hinzuziehung eines Notarztes wurde in Erwägung gezogen. Wozu? Sollte das Kind narkotisiert ins Heim gebracht werden?

Im Vermerk des Jugendamtes wird weiter ausgeführt:

Der Vater sei über die Inobhutnahme informiert worden. Beide Eltern hätten zugestimmt. Eine Anrufung des Familiengerichts als Mitwirkungsfall sei zu veranlassen.

Der Inobhutnahme-Bescheid des Landratsamt Hof vom 25. Januar 2021 wird wie folgt wiedergegeben:

Die Minderjährige [Mädchen] wird am 25. Januar 2021 in Obhut genommen und vorläufig in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung untergebracht (Nr. 1)

Die Personensorgeberechtigungen haben die Inobhutnahme und Unterbringung zu dulden (Nr. 2).

Während der Inobhutnahme übt das Landratsamt Hof – Fachbereich Jugend, Familie und Soziales – das Recht der Beaufsichtigung, Erziehung und Aufenthaltsbestimmung (Personensorge kraft Gesetz aus) (Nr. 3).

Zudem ordnete es die sofortige Vollziehung der Nummern 1 bis 3 an (Nr. 4).

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass auf Grund der durch die Eltern wechselseitig erhobenen Gefährdungsmeldungen, welche zum aktuellen Zeitpunkt nicht hätten ausgeräumt werden können, eine Inobhutnahme erforderlich sei.

Das Verwaltungsgericht führt dann weiter aus, dass das Amtsgericht Hof am 9. Februar 2021 der Mutter das Recht zur Aufenthaltsbestimmung vorläufig entzogen hat. Den Eltern wurde das Recht zur Regelung des Umgangs vorläufig entzogen und eine Ergänzungspflegschaft angeordnet. Die entzogenen Rechte wurden auf das Jugendamt Hof übertragen.

Hinsichtlich der rechtlichen Begründung führt das Verwaltungsgericht aus, dass der Vater nicht der Inobhutnahme zugestimmt habe und das Schreiben von ihm vom 11. Februar 2021 als Widerspruch aufzufassen sei, der vom Jugendamt unbearbeitet geblieben war.

Demgegenüber hatte das Jugendamt ausgeführt:

Der Kläger sei am Tag der Inobhutnahme telefonisch informiert worden. Er habe weder an diesem Tag noch später widersprochen. Das Schreiben vom 11. Februar 2021 stelle keinen Widerspruch dar.

Das Verwaltungsgericht führt bei den Entscheidungsgründen aus:

I. Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§84 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Parteien wurden zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid durch das Gericht angehört.

II. Die zulässige Klage ist begründet.

  1. Bei verständiger Würdigung des Klagebegehrens (§88 VwGO) ist davon auszugehen, dass der Kläger im vorliegenden Verfahren zunächst eine Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1 A.t 1 VwGO erhoben hat, da die Inobhutnahme erst mit Bescheid vom 25. Mai 2021 beendet wurde und zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht erledigt war.[…]Die Anfechtungsklage war zum Zeitpunkt der Erhebung zumindest als Untätigkeitsklage zulässig.[…]Nach Erledigung der Anfechtungsklage durch Beendigung der Inobhutnahme durch das Landratsamt Hof mit Bescheid vom 25. Mai 2021 ist die zulässige Anfechtungsklage als Fortsetzungsfeststellungsklage statthaft.
  2. Die Klage ist begründet.[…]Für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit der Inobhutnahme ist auf den Zeitpunkt der angegriffenen Maßnahmen abzustellen. Dementsprechend ist für die Prüfung § 42 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) in der Fassung vom 20. Juli 2017 maßgeblich.

Das Amtsgericht hat weiter festgestellt, dass sich das Kind in einem erheblichen Loyalitätskonflikt befände – was weder vom Vater noch vom Jugendamt bestritten wird. Hierzu das Verwaltungsgericht:

Die Kammer teilt die Ansicht des Jugendamts, dass das Kind sich zum Zeitpunkt der Inobhutnahme in einem Loyalitätskonflikt befunden hat, der auch durch den Kläger hervorgerufen wurde, da er das Kind in der Vergangenheit dazu angehalten hat, Tagebuch zu schreiben, um angebliche Schläge durch die Kindsmutter zu dokumentieren.

[…]

Ein Loyalitätskonflikt führt aber nicht automatisch zum Vorliegen einer dringenden Gefahr für das Kindeswohl (vgl. auch OVG Berlin Brandenburg B.v. 28.3.2017 – 6 S 8.17 – juris Rn. 12: nicht jeder Loyalitätskonflikt rechtfertigt die Annahme einer akuten, eine Inobhutnahme legitimierende Gefährdungssituation. Der Loyalitätskonflikt hatte im von diesem Gericht entschiedenen Fall keine Dimension erreicht, die zu einer akuten Gefährdung des Kindeswohl bei Fortsetzung des bisherigen Umgangskontakts geführt hätte).

Eine Gefahr ist immer dann dringend, wenn ihre Beseitigung bereits vor einer möglichen familiengerichtlichen Entscheidung erforderlich ist, wenn also die Zeit fehlt, eine familiengerichtliche Entscheidung einzuholen.

Es bleibt somit festzuhalten, dass das Kreisjugendamt Hof eine rechtswidrige Entscheidung getroffen hat, nachdem die vermeintliche Kinderschutzbehörde zuvor von der Direktorin der Grundschule, dem ersten Kommissar vom Staatsschutz und mehrfach von der Mutter zu Aktionen gegen den Vater getrieben wurde. Für uns ist diese Häufung von Einmischungen von nicht am Verfahren beteiligten Personen ungewöhnlich und es stellt sich natürlich die Frage, aus welchen persönlichen und möglicherweise parteiischen Gründen diese Personen agierten.

Auch der Beschluss des Amtsgericht Hof vom 09. Februar 2021 hat sich später als rechtswidrig herausgestellt. Das OLG Bamberg hat am 17. Mai 2021 den Beschluss des Amtsgericht Hof aufgehoben.

Die mittlerweile pensionierte Richterin Brigitte Herrmann vom Amtsgericht Hof hatte weiterhin die Gutachterin Eva-Maria Kammerer beauftragt, ein psychologisches Gutachten zu fertigen, das nunmehr nach gut zweieinhalb Jahren vorliegt. Darüber werden wir in den nächsten Tagen ausführlicher berichten.

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Autor

  • Klaus Fiegl

    Ich bin der Vater hinter dem BGH Wechselmodell-Beschluss aus 2017 (XII ZB 601/15), sowie Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Durch das deutsche Familienrecht wurde ich an meine Grenzen geführt, weil ich um den Kontakt zu meinen Kindern kämpfen musste. Heute kämpfe ich für andere.

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