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FAMOD-Studie stellt Grundrecht auf gleichberechtigte Erziehung im Wechselmodell infrage

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Die “Familienmodelle in Deutschland” (FAMOD)-Studie untergräbt mit ihren methodischen Schwächen und einer Tendenz, bestimmte Positionen zu unterstützen, das Grundrecht auf gleichberechtigte Erziehung im Wechselmodell.

Im FamRZ-Podcast geht es zum zweiten Mal um die vermeintlich wissenschaftliche Studie “Familienmodelle in Deutschland” (FAMOD). Die deutsche juristische Fachzeitschrift für Familienrecht fragt im Gespräch mit der Soziologin Prof. Dr. Anja Steinbach: “Welche Schlüsse kann man für die juristische Praxis – oder welche gerade nicht – aus der Studie ziehen?”

Schon diese Frage zeigt, dass Deutschlands Rechtsprechung zum Wechselmodell auf die schiefe Bahn geraten ist. Warum sollten Richter auf der Basis von angeblich wissenschaftlichen Erkenntnisse über Befindlichkeiten entscheiden? Stehen neuerdings Gefühle über einem Grundrecht wie die gleichberechtigte Erziehung im Wechselmodell (Art. 6 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG)? Schließlich würde man annehmen, dass die universalen Werte hinter den Grundrechten unabhängig von dem jeweiligen Zeitgeist der Wissenschaft gelten und sich Gerichte an diesen Werten statt an Wissenschaftlern orientieren.

Dem ist jedoch nicht so. Bei der Rechtsprechung zum Wechselmodell gilt spätestens seit 2017, dass Wissenschaft das Grundgesetz schlägt. Der Vorrang der Wissenschaft verhalf dem BGH in seiner Entscheidung zum Wechselmodell vom 1.2.2017 dazu, es faktisch zu verunmöglichen und damit Kindern und Eltern ihr Grundrecht auf gleichberechtigte Erziehung im Wechselmodell zu nehmen. In diesem Beschluss von 2017 zauberte der BGH das KO-Kriterium “Kooperation und Kommunikation” aus dem Hut hervor, und zwar auf Basis der Schriften von sogenannten Wissenschaftlern hervor und im Namen des unbestimmten Rechtsbegriffs “Kindeswohl”.

Dieses Kriterium besagt, dass das Wechselmodell nicht angeordnet werden kann, wenn die Eltern nicht kooperieren und kommunizieren. Es kann als Handlungsanleitung gelesen werden, um das Wechselmodell zu verhindern: der Elternteil, der es nicht will, muss einfach die Kommunikation und Kooperation mit dem Ex-Partner oder der Ex-Partnerin einstellen und voilá, schon dürfen Familienrichter begründen, dass die Kinder hauptsächlich von einem Elternteil, statt von beiden gleichberechtigt betreut werden sollen.

Womit aber hat der BGH dieses KO-Kriterium begründet? Eben mit einer geringen Zahl handverlesener “Wissenschaftler”. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1957, dass Homosexualität weiter strafbar bleiben soll, funktionierte nach derselben Bauart. Auch hier wurden “Wissenschaftler” herangezogen, um die Menschenrechtsverletzung zu begründen.

Die FAMOD-Studie will nun festgestellt haben, dass das “Wohlbefinden” von Eltern im asymmetrischen Wechselmodell am besten sei. Das asymmetrische Wechselmodell ist nicht die gleichberechtigte Erziehung, in der die Eltern 50/50 ihre Kinder betreuen. Vielmehr spricht man von einem asymmetrischen Wechselmodell schon ab einer Betreuungszeit von 35 zu 65.

Der den Grundrechten abgeneigte Richter könnte nun zu der Schlussfolgerung gelangen, dass es am besten sei, z.B. dem Vater die Kinder zu 35% der Zeit zu geben und der Mutter zu 65% der Zeit. Der Haken an der Studie ist, dass Väter, die ihre Kinder weniger als 50% betreuen, in der Studie nicht berücksichtigt wurden. Dies räumt die Professorin im Podcast selbst ein. Ergo bildet die Studie nur das Wohlbefinden der Mütter ab, die im asymmetrischen Wechselmodell oder im Residenzmodell (d.h. ein Elternteil hat die Kinder mehr als 65%) leben.

Dadurch gibt die vermeintlich wissenschaftliche Studie, um es freundlich zu sagen, ein leicht verzerrtes Bild ab, was das “Wohlbefinden” von Eltern angeht. Gerade die Eltern, die darunter leiden, dass sie ihre Kinder seltener sehen, sind nicht darin enthalten. Es handelt sich also um eine Studie über das Wohlbefinden der Sieger im Streit um die Kinder. Damit ist die Studie, laut derer das asymmetrische Wechselmodell den höchsten Grad an “Wohlbefinden” ermöglicht, selbst asymmetrisch.

Die FAMOD-Studie legt Ergebnisse nahe, die zu hinterfragen sind:

  • Was wäre das Ergebnis der Studie gewesen, wenn man die Verlierer berücksichtigt hätte? Hätte dann das symmetrische Wechselmodell, also die 50/50 gleichberechtigte Erziehung, den höchsten Grand an “Wohlbefinden” ermöglicht?
  • Handelt es sich um eine Sieger-Studie über Eltern, die sich im asymmetrischen Wechselmodell besser fühlen als im Residenzmodell, weil im Residenzmodell der benachteiligte Elternteil mehr nervt, als im asymmetrischen Wechselmodell? Im asymmetrischen Wechselmodell sieht der benachteiligte Elternteil die Kinder zwar immer noch nicht gleichberechtigt, aber immerhin öfter als im Residenzmodell? Ist der benachteiligte Elternteil im asymmetrischen Wechselmodell zufriedener als im Residenzmodell, weil er vor Gericht sowieso keine Chance hätte, das symmetrische Wechselmodell zu bekommen?
  • Überhaupt, wie beeinflusst die herrschende Rechtsprechung, die das Wechselmodell faktisch verhindert, wenn es ein Elternteil nicht will, das “Wohlbefinden” der Eltern strukturell?
  • Verhindert die Unterscheidung der Eltern nach Geschlecht in der Studie schon, dass im Ergebnis das “Wohlbefinden” der Eltern im symmetrischen Wechselmodell besser ist, vor allem, weil die Daten zu benachteiligten Vätern fehlen? Was ist mit benachteiligten Müttern in Trennungsfamilien, wo der Vater die Kinder hauptsächlich im Residenzmodell betreut?

Dies sind alles Fragen, die im Podcast ausgespart wurden. Weder die FamRZ- Online-Redakteurin Veronika Bodensteiner, noch der Familienrichter Jörn Müller, auch nicht der Professor für Bürgerliches Recht und mehr, Philipp Reuß, fragten auch nur annähernd kritisch nach. Das könnte daran liegen, dass auch sie dem Primat der Wissenschaft verfallen sind und die für Trennungsfamilien einzig und allein maßgeblichen universalen Werte des Grundgesetzes hinten an stellen.

Generell ist bedenklich, dass sich eine juristische Zeitschrift mit den vermeintlich wissenschaftlich erhobenen Befindlichkeiten von Eltern beschäftigt. Gefühle sind subjektiv. Eine wissenschaftliche Studie über Befindlichkeiten macht die Befindlichkeiten nicht objektiv. Ein Elternteil mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung wird immer möglichst die volle Kontrolle über seine Kinder haben wollen und wird sich nur “gut fühlen”, wenn ihm die Kinder im Residenzmodell zugesprochen wurden oder am besten der andere Elternteil völlig aus dem Leben der Kinder ausgemerzt wurde. Will jemand ernsthaft solcherart “Wohlbefinden”, welches in einer Studie zu einem empirischen Faktum verklärt wird, zum Maßstab richterlicher Entscheidungen machen?

Die innere Realität von Eltern, kann nicht Maßstab richterlicher Entscheidungen sein. Maßstab sind alleine die Grundrechte und das ihnen zugrunde liegende oder aus ihnen ableitbare Wertesystem. Maßstab dürfen nicht handverlesene Studien sein, gerade weil so manche Wissenschaftler auch in der jüngsten deutschen (Rechts-)Geschichte immer wieder herangezogen wurden, um Unrecht zu sprechen. Richter sollten deshalb wissenschaftliche Studien und auch psychologische Gutachten im Lichte des Grundgesetzes betrachten. Dann dürfte sich so manche Studie als Rationalisierung persönlicher Ansichten entpuppen, und nicht als Entdeckung universaler Prinzipien.

Gleiches gilt konsequent weitergedacht auch für die BGH-Rechtsprechung zum Wechselmodell. Richter, die sich dem Grundgesetz und ihrem Gewissen verpflichtet fühlen, müssen das KO-Kriterium “Kommunikation und Kooperation” außer Acht lassen, wenn sie verfassungsgemäß über das Wechselmodell entscheiden wollen. Nicht zuletzt sind weder die Sozialwissenschaften noch die Psychologie eine exakte Wissenschaft.

Die für Trennungsfamilien relevanten universalen Prinzipien wurden schon längst “entdeckt” und stehen im Grundgesetz: gleichberechtigte Erziehung, d.h. symmetrisches Wechselmodell – egal was die persönlichen Befindlichkeiten der Eltern, Kinder, Richter, Jugendämter, Verfahrensbeistände oder Gutachter sind.

Wer die Rechtsprechung zum Wechselmodell von der Wissenschaft abhängig macht, will es verhindern. Wer es von Grundrechten abhängig macht, muss es anordnen.

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Autor

  • Sandro Groganz

    Ich habe Freifam gestartet, um mit meiner eigenen Situation als geschiedener Vater besser umgehen zu können. Was ich mir von der Seele schrieb, berührte andere Menschen mit ähnlichen Schicksalen. Da erkannte ich, dass Freifam das Potential zu einer neuartigen Bewegung für Familien hat. In diesem Sinne sehe ich mich als Familien-Aktivist.

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