Auf Twitter tummelt sich ein Account, der von sich selbst in seinem Profil behauptet, er (oder sie?) sei ein kleiner Richter an einem kleinen Dorfgericht. In mehreren Tweets gab er heute Einblick in seine kinderrechtefeindliche Rechtsauffassung.
Unter dem Handle @gerechtGericht diskutierte er heute den Vorwurf der Rechtsbeugung von Kinderrechten, wie ihn Freifam unter anderem in Bezug auf den Bundesgerichtshof erhebt.
Der Vorwurf besteht zusammengefasst darin, dass Fachgerichte und auch der BGH Kinderrechte beugen, indem sie die Uneinigkeit der Eltern nach deren Trennung benutzen, um die Kinder zu entwürdigen und zu entrechten. Dies erreichen die Gerichte hauptsächlich durch diese zwei perfiden Argumente:
- Die Eltern seien sich uneins über die Betreuung der Kinder, deshalb könnten die Kinder nicht gleichberechtigt von beiden Eltern betreut werden.
- Wer sein Kind über das Wechselmodell aufklärt, wenn es der andere Elternteil nicht will, beeinflusst das Kind negativ.
Die dahinter stehende Logik ist deshalb perfide, weil sie das verbriefte Recht des Kindes auf beide Eltern aushebelt, sobald ein Elternteil einem Kind dieses Recht nehmen will. In anderen Worten: die Gerichte machen es sich zunutze, dass ein Elternteil gegen die Kinderrechte verstößt, um dem Kind seine Rechte zu nehmen. Eigentlich müsste in einem solchen Fall das Gericht die Kinderrechte schützen, also sicherstellen, dass dem Kind beide Eltern gleichberechtigt erhalten bleiben. Dies wäre das sogenannte paritätische Wechselmodell bzw. Doppelresidenz.
Weil selbst der BGH jedoch einen Elternteil zu dem Zweck instrumentalisiert, um Kinderrechte auszuhebeln, werden betroffene Kinder als Rechtssubjekte entwürdigt, was laut herrschender Rechtsprechung des BGH (sic!) wiederum eine Rechtsbeugung darstellt.
Der angebliche Twitter-Dorfrichter führt als einziges Argument, weshalb diese Rechtsbeugung von Kinderrechten keine sei, an, dass das Kindeswohl genauso Verfassungsrang habe, wie die Elternrechte. Damit hat er jedoch das wahre Problem nicht verstanden, denn das Kindeswohl muss sich an den Werten des Grundgesetzes orientieren. Das Bundesverfassungsgericht formuliert dies als “Erziehung nach dem Menschenbilde des Grundgesetzes”. Hierzu gehört zwingend das Recht von Kindern, in Gleichberechtigung erzogen zu werden – auch nach der Trennung der Eltern.
Wer wie der BGH das Kindeswohl außerhalb des Wertesystems des Grundgesetz stellt, um per Gericht eine Erziehung durchzusetzen, die Kindern im Streitfall immer einen Elternteil nimmt, implementiert eine herrschende Rechtsprechung, die entwürdigend ist und offenbar Verbrechen gegen die Menschlichkeit von Kindern und Eltern darstellt.
Hier kann der Twitter-Strang des angeblichen Inkognito-Richters gelesen werden: https://twitter.com/gerechtGericht/status/1352226240560824321
Ihr wollte es so😬
Aus Anlass der immer wieder auftauchenden “Rechtsbeugungsvorwürfe” an meine Kolleginnen/Kollegen aus Familienabteilungen der Amtsgerichte und Familiensenaten der Oberlandesgerichte hier eine kurze “Erklärung” zum Thema “Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG”.— Richter Impf-Mich-Mal (@gerechtGericht) January 21, 2021
UPDATE 21.01.2021, 14:55 Uhr:
Auf einem von dem angeblichen Richter zu diesem Artikel gestarteten Twitter-Threat reagiert dieser substanzlos mit einem animierten GIF.
And here we go… https://t.co/VhXpxvCv8s pic.twitter.com/o9ZnDZ4GCY
— Richter Impf-Mich-Mal (@gerechtGericht) January 21, 2021