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Freifam-Journalisten als Beistände: Teilerfolg gegen Jugendamt Bad Tölz-Wolfratshausen vor Gericht

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Eltern klagten gegen das Kreisjugendamt Bad Tölz-Wolfratshausen wegen Beiständen-Verbot für Freifam-Journalisten und erreichten einen Teilerfolg vor dem Bayrischem Verwaltungsgerichtshof.

Die Familie L. wandte sich an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, da ihre Beistände von dem Kreisjugendamt Bad Tölz-Wolfratshausen abgelehnt wurden. Die Eltern wünschen sich die Unterstützung von den zwei Freifam-Journalisten Jessical Zelzer und Klaus Fiegl als Beistände, um alleine keine Gespräche mehr mit dem Kreisjugendamt führen zu müssen. Im Gegensatz dazu genehmigt das Kreisjugendamt Rosenheim, in dessen Zuständigkeitsbereich die älteste Tochter lebt, die Beistände ohne Probleme.

Wir berichteten schon mehrfach über die drei an veschiedenen Orten fremd untergebrachten Kinder der Familie L.

Das Kreisjugendamt Bad Tölz-Wolfratshausen führte am 08.12.22 ein Hilfeplangespräch ohne Anwesenheit der Eltern. Die zuständige Sachbearbeiterin für den Kinderpflegedienst war Frau Sieglinde Thamm.

Das Kreisjugendamt Bad Tölz Wolfratshausen behauptete dass die Beistände nicht geeignet wären, weil diese Autoren bei Freifam sind. Der Beschluss vom 25.01.23 des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist interessant. Die Klage hatte zwar wegen Terminablauf keine Aussicht auf Erfolg, für die Zukunft jedoch sind die Hinweise des Gerichts wegweisend. Anbei der relevante Auszug aus dem Beschluss:

4. Diesbezüglich und eingedenk der vom Antragsgegner in der Beschwerdeerwiderung in den Raum gestellten Möglichkeit, die Hilfeplangespräche zukünftig ohne die Antragsteller als nicht personensorgeberechtigte Eltern zu führen, weist der Senat auf folgende Aspekte im Hinblick auf das streitgegenständliche Rechtsschutzbegehren der Antragsteller hin:

4.1 § 36 SGB VIII differenziert hinsichtlich der Mitwirkung von Eltern u.a. an der Auf- stellung eines Hilfeplans danach, ob den Eltern die Personensorge für die hilfebedürf-tigen Kinder oder Jugendlichen obliegt. Insoweit ist es im Falle einer familienrechtlichen Sorgerechtsentziehung zunächst erforderlich, deren konkreten Umfang zu ermitteln. Ist eine bestimmte Jugendhilfemaßnahme von einer partiellen Sorgerechtsentzie- hung nicht tangiert, sind die Eltern der Hilfebedürftigen insoweit weiterhin als perso- nensorgeberechtigt zu behandeln und erweist sich deren Mitwirkung am Hilfeplanver- fahren als obligatorisch (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 9.1.2017 – 12 CS 16.2181 – BeckRS 2017, 100916 zur Antragsbefugnis der Eltern, denen das Aufenthaltsbestim- mungsrecht entzogen wurde, gegen eine behördliche Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII). Je nach dem Umfang der Sorgerechtsentziehung liegt im vorliegenden Verfahren möglicherweise kein Fall von § 36 Abs. 5 SGB VIII, sondern von § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII vor. Die Sorgerechtsentziehung und Bestellung eines Amtsvormunds führt mithin nicht zwangsläufig zu eingeschränkten Verfahrensrechten der leiblichen Eltern der hilfebedürftigen Kinder.

4.2 Eingedenk der Ausgestaltung der Beteiligung nichtsorgeberechtigter Eltern am Hilfeplanverfahren in § 36 Abs. 5 SGB VIII als Sollvorschrift hat der Gesetzgeber unter Anerkennung des grundrechtlichen Schutzes der Elternrechte in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zu erkennen gegeben, dass die Elternbeteiligung den Regelfall bildet, deren Aus- schluss vom Hilfeplanverfahren jedoch einen begründungsbedürftigen Ausnahmefall. Demgemäß sieht § 36 Abs. 5 2. Halbs. SGB VIII eine Entscheidung über das Ob und Wie der Beteiligung im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte unter Berücksichtigung der Willensäußerung und der Interessen des Kindes oder Jugendlichen sowie der Wil- lensäußerung der Personensorgeberechtigten vor. Wollte der Antragsgegner die Eltern der Hilfeempfänger zukünftig an den Hilfeplangesprächen nicht mehr beteiligen, bedürfte es daher einer entsprechenden fachlich fundierten Entscheidung unter Berücksichtigung auch des Willens der betroffenen Kinder der Antragsteller. Der Senat weist in diesem Kontext darauf hin, dass nach seiner Auffassung allein das fehlende Einverständnis der Antragsteller mit der Unterbringung der Kinder in Pflegefamilien, der Wunsch nach einer Rückführung der Kinder, der Wunsch nach einer Verfahrensbegleitung durch jugendamtskritische Beistände sowie die Kritik an den jugendhilferechtlichen Maßnahmen des Antragsgegners nicht von vornherein dazu führen, dass der Hilfezweck in Frage gestellt wird und den Antragstellern folglich die Teilnahme am Hilfeplanverfahren versagt werden kann.

4.3 Auch das Wie der Beteiligung nichtsorgeberechtigter Eltern am Hilfeplangespräch unterstellt § 36 Abs. 5 SGB VIII einer fachlichen Einschätzung durch das Jugendamt. Hierbei gilt es jedoch dem nach wie vor fortbestehenden Grundrecht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG Rechnung zu tragen und ihnen die Teilnahme durch die Gestaltung der Rahmenbedingungen möglichst zu erleichtern. Demzufolge muss der Antragsgegner bei seiner Entscheidung, das Hilfeplangespräch entweder online oder in Präsenz zu führen, in Rechnung stellen, dass die Antragsteller ihren Wohnsitz in Stralsund haben und eine Teilnahme „vor Ort“ mit erheblichen zeitlichen und finanziellen Belastungen verbunden ist. Weiter gälte es zu berücksichtigen, dass dem befürchteten „Missbrauch“ des Onlineformats durch unberechtigte Aufzeichnung oder die Anwesenheit unbefugter Personen dadurch Rechnung getragen werden könnte, dass die Antragsteller beispielsweise in den Räumlichkeiten des wohnsitznächsten und bereits mit dem Fall vertrauten Jugendamts an der Online-Sitzung teilnehmen.Auch ließe sich an die Durchführung in einem Hybridformat denken. Demgegenüber erwiese sich die Ansetzung eines Hilfeplangesprächs in Präsenz allein mit dem Ziel, eine Nichtteilnahme der Antragsteller aus zeitlichen und finanziellen Gründen zu provozieren, als rechtsmissbräuchlich.

4.4 Das in § 13 Abs. 4 Satz 1 SGB X gewährleistete Recht, sich auch in einem jugend- hilferechtlichen Verfahren eines Beistands zu bedienen, wird allein nach § 13 Abs. 6 Satz 1 SGB X eingeschränkt, wonach Beistände generell „vom Vortrag“ zurückgewiesen werden, wenn sie hierzu ungeeignet sind. Speziell vom „mündlichen Vortrag“ kön- nen sie nur zurückgewiesen werden, wenn sie zu einem sachgemäßen Vortrag nicht fähig sind. Zum Vortrag „ungeeignet“ ist ein Beistand jedenfalls dann, wenn sein Vorbringen den Zweck einer jugendhilferechtlichen Maßnahme beeinträchtigt. Insoweit bedarf es wohl entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keiner analogen Anwendung von § 36 Abs. 5 2. Halbs. SGB VIII. Jedenfalls muss sich die Annahme der Ungeeignetheit eines Beistands aber auf konkrete und nachvollziehbare Tatsachen stützen. Allein die Vermutung oder Befürchtung, ein Beistand könne sich zukünftig im Rahmen seiner Teilnahme an einem Hilfeplangespräch als ungeeignet erweisen, reicht für sich genommen für eine Zurückweisung bereits im Vorfeld nicht aus. Will der Antragsgegner im vorliegenden Fall die von den Antragstellern benannten Beistände in Zukunft von Hilfeplangesprächen ausschließen, muss er deren Ungeeignetheit anhand konkreter Tatsachen aus der Vergangenheit belegen. Hierbei gälte es insbesondere zu berücksichtigen, dass sich die Artikel von Jessica Z. und Klaus F. im Internetportal www.freifam.de nicht auf Hilfeplangespräche, sondern vielmehr auf das umgangsrechtliche Verfahren vor dem Amtsgericht Wolfratshausen beziehen. Weiter gälte es zu berücksichtigen, dass sich die entsprechenden Artikel sicher zugespitzt kritisch mit dem Verhalten der zuständigen Mitarbeiterin des Jugendamts des Antrags- gegners beschäftigen, die Autoren jedoch nicht zur Unterlassung bzw. zum Widerruf ihrer Aussagen verpflichtet und auch nicht wegen Beleidigungsdelikten strafrechtlich belangt worden sind. Darüber hinaus müsste ferner berücksichtigt werden, dass die benannten Beistände der Antragsteller am Hilfeplangespräch bezüglich ihrer im Bereich des Landratsamts Rosenheim untergebrachten weiteren Tochter offensichtlich ohne Beanstandungen teilgenommen haben. Eingedenk dessen sollte der Antragsgegner seine bislang dezidierte Zurückweisung der benannten Beistände nochmals überdenken (vgl. allgemein zur Zurückweisung von Bevollmächtigten bzw. Beiständen im Rahmen von Jugendhilfeverfahren auch DIJuF-Rechtsgutachten vom 7.4.2008, JAmt 2008, 309). Ein allgemeiner Anspruch, von jedweder öffentlichen Kritik an seinen Maßnahmen verschont zu bleiben, steht dem Antragsgegner nicht zu.”

Laut dem Landkreis Bad Tölz Wolfratshausen sind die Autoren von Freifam als Beistände ungeeignet. Diese Einschätzung teilt der Bayrische Verwaltungsgerichtshof offenbar nicht.

Es bleibt zu hoffen, dass sich der Landrat Josef Niedermayer (Freie Wähler) nach diesem obergerichtlichen Dämpfer auf die von den zwei Freifam-Journalisten in ihren Berichten aufgezeigten Missstände in der Fallbearbeitung konzentriert, um sie zu beseitigen und das Kindeswohl sicherzustellen. Auch der Jugendhilfeausschuss des Landkreises Bad Tölz Wolfratshausen ist bislang nicht eingeschritten.

Unsere beiden Redakteure Jessica Zelzer und Klaus Fiegl werden sowohl als Beistände wie auch als Journalisten an dem Fall dran bleiben.

Bildinfo: Zu sehen ist der Landrat des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen, Herr Josef Niedermaier, der damit auch oberster Dienstherr seines Jugendamts ist. Quelle: https://www.toelzer-land.de/landrat-josef-niedermaier-2

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Autor

  • Jessica Zelzer

    Als seit 2017 betroffene Mutter des Familienrechts, habe ich jahrelang erfahren, dass in diesem System die reine Willkür herrscht. Wenn man eine normale Trennung und Scheidung hat, fängt bei vielen der Alptraum an. Am schlimmsten ist es für die Kinder. Man ist der Willkür ausgeliefert. Angefangen bei Familiengerichten bis zu den Jugendämtern und den Verfahrensbeiständen. Den Blick auf die Kinder richtet dort niemand.

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4 comments

  1. Klaus Fiegl 3 Februar, 2023 at 06:55 Reply

    „ Ein allgemeiner Anspruch, von jedweder öffentlichen Kritik an seinen Maßnahmen verschont zu bleiben, steht dem Antragsgegner nicht zu. „

    Das Gericht bringt es auf den Punkt!

  2. Franzjörg Krieg 6 Februar, 2023 at 16:00 Reply

    Hallo Klaus, ja, manchmal muss man Biss zeigen. Wir sind so vielen Ungeheuerlichkeiten ausgesetzt: PolitikerInnen, die sich nicht zu schade sind, sich selbst aus ideologischen Gründen strohdumm zu zeigen, politisch gesteuerte Diskriminierung aus Gründen des Geschlechtes, Willkür und reines Machtgebaren von Professionen, unglaubliche Arroganz, hinter der fehlende Sachkompetenz durch Amtskompetenz ersetzt wird – und viele weitere unsägliche Zumutungen. Jeder Mückenstich ist dabei wichtig und verfehlt seine Wirkung nicht. Wir müssen uns aber in nächster Zeit noch viel mehr Biss erlauben, um dem politischen Unwillen von rot-grün zu begegnen. Die 3. Legislaturperiode, in der die seit Jahrzehnten überfällige Familienrechtsreform einfach machtpolitisch ausgesessen wird, und in der die Überwindung des Männlichen in der Gesellschaft menschenrechtswidrig durchgezogen wird, braucht öffentliche und ungehorsame Renitenz! ES REICHT! Lass uns die Menschenrechtswidrigkeiten beim Namen nennen und lasst uns auf breiter Front für bessere Lösungen konsequent einstehen und handeln! Franzjörg – vater.franzjoerg.de

  3. Alexander Heiduk 10 März, 2023 at 08:32 Reply

    Ist das geil endlich bekommt dieses Landratsamt ihr Fett weg …
    Eltern die nie aufgeben , im Kampf gegen das Unrecht .

    Guter Anwalt der bis zum Bayrischen Verwaltungsgerichtshof geht.

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